1. Mai in Zug
1. Mai 2014
Der Kanton Zug ist Spitze. Verschiedenste Vergleiche bestätigen, dass unser Kanton besser ist als die Nachbarn. Andere Resultate, schlechtere Rangierungen oder Ranglisten, welche ein anderes Bild des Kantons zeichnen, werden von der bürgerlichen Seite einfach nicht zur Kenntnis genommen. Mit dieser Sichtweise können wir immer Top bleiben. Wir sind ein Tiefsteuerkanton und dies seit Jahrzehnten. Unsere Bevölkerung wächst überdurchschnittlich, meistens mit gut bis sehr gut Verdienenden. Die anderen können sich den Wohnort Kanton Zug nicht mehr leisten und werden verdrängt.
Wenn jedoch die Wohnimmobilienpreise und Mieten angeschaut werden oder das frei verfügbare Einkommen, stellt sich schnell heraus, dass der Kanton Zug für den Mittelstand gar nicht attraktiv, ja gar nicht mehr bezahlbar ist. Gemäss CS-Studie verfügt eine Familie mit zwei Kindern und einem mittleren Einkommen in der Gemeinde Sattel über mehr verfügbares Einkommen als eine vergleichbare Familie in Oberägeri. Vermisst ihr auch den Aufschrei und das Handeln der bürgerlichen Parteien?
Die zu bezahlenden Steuern haben nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Auch wenn die berechneten Steuern gemäss Steuergesetz rechtskonform sind, sind die Beträge oft nicht nachvollziehbar. Herr Glasenberg erhält zum 2. Mal einen dreifachen Millionenbetrag als Dividenenausschüttung, ohne dafür einen Steuerfranken bezahlen zu müssen. Selbstverständlich können die Wirtschaftsvertreterinnen und –vertreter unseres Parlamentes dieses System erklären. Wenn aber die Bundesverfassung, der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, zitiert wird, „jede/jeder leistet gemäss seiner finanziellen Kraft seinen Beitrag §127 BV“, sind die Begründungen zweifelhaft
Es nützt nichts, auf Herrn Glasenberg herumzuhacken. Er macht nichts Gesetzloses. Ich denke, er ist einfach ein gutes Beispiel, wohin wir uns bewegen.
Roger de Weck, wahrlich kein Linker, meinte bereits vor fünf Jahren, dass „das Wirtschaftssystem, welches unser Leben prägt, versagt hätte. Ich zitiere: „Die Krise ist allgegenwärtig, eine Krise der Finanzen, der Wirtschaftsführer, der Politik, der Medien – dahinter die Wertekrise“. In seinem Buch „Nach der Krise“ mit dem Untertitel: Gibt es einen anderen Kapitalismus? stellt de Weck die gleichen Fragen, mit welchen wir Linke uns seit langer Zeit beschäftigen.
Auch im Kanton Zug beginnen vereinzelte bürgerliche Politiker ihre Wachstumseuphorie zu hinterfragen. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob das aus den entsprechenden Erkenntnissen geschieht oder einfach, weil sie merken, dass ihre Kinder, Verwandten und Bekannten nicht mehr im Kanton Zug wohnen bleiben können, und sie diese Entwicklung hautnah zu spüren bekommen. Denn auch für die lokale Prominenz wird unser Kanton zu teuer und das wertvolle Land zu knapp.
Die steuerfreien Auszahlungen (gemäss der Unternehmenssteuerreform II) von angemeldeten 654 Milliarden Franken ergeben massive Mindereinnahmen für Bund, Kantone und Gemeinden. Dieses verlorene Geld muss eingespart oder über die Mehrwertsteuer hereingeholt werden. Erneut kommen die wenig Verdienenden und der Mittelstand zum Handkuss, denn den Vielverdienern spielt eine höhere Mehrwertsteuer keine Rolle. Ihre Steuereinsparungen sind immer noch massiv höher.
Gespart werden soll auch bei den Sozialhilfebeziehenden, den Bezügerinnen und Bezüger von Arbeitslosengeldern, den IV-Rentnerinnen und Rentnern. Bei den Schwächsten unserer Gesellschaft sollen Optimierungen stattfinden und einige Ausgabenfranken vermieden werden. Genossinnen und Genossen, wo bleiben da Ethik und Gerechtigkeit?
Seit einiger Zeit begleite ich einen Zuger, knapp über 60 Jahre alt, arbeitslos. Seine über 150 Bewerbungen waren erfolglos. Absage folgte an Absage. Oft ohne Begründung, oft nicht einmal eine Rückmeldung. Die existentielle und psychische Not ist kaum vorstellbar. Inzwischen hat er eine Teilzeitstelle gefunden, für welche er überqualifiziert ist. Seine Fähigkeiten sind nicht mehr gefragt. Trotzdem ist er froh, nicht von Sozialhilfe abhängig und mit 65 Jahren pensioniert zu werden.
Damit die Kosten weiter reduziert werden können, soll auch das Rentenalter auf 67 erhöht werden, obwohl die Altersguillotine mindestens 10 Jahre vorher beginnt und die Wirtschaft Frühberentete en masse produziert. Die demografische Entwicklung ist eine ideale Begründung dazu. Dass die Produktivitätsgewinne jedoch nur an die Kapitalinvestoren ausgeschüttet werden, wird einfach verschwiegen.
„Demokratie funktioniert nur auf der Basis fundamentaler Individualrechte wie Redefreiheit, Gedankenfreiheit, Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Glaubensfreiheit“. Diese Erkenntnis von Hans-Jürg Fehr im Jahr 2004 will ich noch mit dem Begriff Transparenz ergänzen. Was nützt es, wenn wir Pressefreiheit haben, aber einzelne Gruppen keinen oder behinderten Zugang dazu erhalten? Wie wird Redefreiheit ausgelegt, wenn die Werbe- resp. Abstimmungsbudgets unbekannt sind?
Ich denke da aktuell an die riesige Werbetrommel gegen die Mindestlohninitiative. Leserbriefe gegen den Mindestlohn von Zuger CEO’s, die monatlich das Zehnfache oder mehr von CHF 4‘000 verdienen, hinterlassen ein „mildes“ verständnisloses Kopfschütteln und einen äusserst schalen Nachgeschmack. Viele Verantwortliche der Wirtschaft haben die Realität zum Alltagsleben verloren.
Liebe Alternative, liebe Genossinnen und Genossen, liebe GewerkschafterInnen, liebe Linke unser Einsatz für mehr soziale Gerechtigkeit ist noch lange nicht zu Ende. Zug braucht eine starke Linke, damit dieser Kanton auch in Zukunft Heimat für alle sozialen Schichten sein kann.