Begrüssungsrede an den neuen Verein “Neue Heimat”

11. Oktober 2013

Sehr geehrte Damen und Herren,

Zuerst einmal danke ich Ihnen herzlich dafür, dass ich als Präsident des Zuger Kantonsrates und – für mich genau so wichtig – als Vertreter einer klaren linken Position von Ihnen die Einladung erhielt, hier in diesem alt ehrwürdigen Gotischen Saal, eine kurze Begrüssungsrede an Sie zu richten. Ich denke, dass dies von Ihnen doch auch eine rechte Portion Mut brauchte, da die Organisatoren ja nicht wissen, welche Art von Ansprache ich halten werde. Ich habe mir gut überlegt, ob ich die Einladung annehmen soll oder nicht. Als Kantonsratspräsident entschied ich mich dafür. Zwei wichtige Punkte muss ich jedoch noch vor der eigentlichen Rede darlegen.

Der Begriff „Neue Heimat“ wurde bereits im Jahre 1933 von den Nazis kreiert und ist deshalb aus meiner Sicht historisch wie auch politisch – moralisch in hohem Masse vorbelastet.

Was meine Wenigkeit betrifft, so stamme ich aus einfachen Verhältnissen, bin in der Stadt Zug aufgewachsen, habe eine handwerkliche Lehre gemacht und verfüge über keinen Doktortitel. Leider wurde es in den letzten Jahren üblich, sich mit unverdienten Federn zu schmücken. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich Unehrlichkeiten auf Dauer nicht bewähren und die Wahrheit aufgedeckt wird.

Bei der Durchsicht des Leitbildes der Neuen Heimat Schweiz beziehungsweise Zug fiel mir auf, dass es sich praktisch mit der altbekannten Gedankenwelt der SVP deckt. Insofern ist es schwierig von einer geistigen neuen Heimat zu sprechen. Ob in Anbetracht der doch eher etwas reservierten Einstellung der Neuen Heimat den Ausländern gegenüber – hier das Wort „Heimat“ angebracht ist, wage ich doch zu bezweifeln. Da gäbe es genau genommen die Einstellung anderer politischen Kräfte den Ausländern gegenüber wohl eher einen Grund, von Heimat zu reden. Auf diese Diskrepanz weise ich Sie ausdrücklich hin. Was diese Problematik anbelangt, so muss unterschieden werden zwischen den schönen Worten im Leitbild und der Realität. Gerade bei uns in der Zentralschweiz ist die Mentalität des „frömden Fötzels“ noch keineswegs ausgestorben.

Sie wollen den Ausländerinnen und Ausländer – auch die in der Schweiz niedergelassenen und hierzulande gut integrierten mit Ausweis C und völlig in straffreier Legalität lebenden – nicht einmal auf kommunaler Ebene das Stimm- und Wahlrecht zuerkennen – Frage: Entspricht dies einer Förderung des Heimatgefühls? Oder ist dies eine Diskriminierung?

Wenn ich in den weiteren folgenden Überlegungen oft von der SVP und der Neuen Heimat spreche, beziehe ich mich auf das Interview vom designierten Präsidenten Herrn Trlin. Er sagt, wer sich mit den Zielen des Vereins „Neue Heimat“ identifizieren könne, passe auch sehr gut zur SVP.

Was mir – und gewiss auch vielen anderen Zeitgenossen – auffällt ist die teilweise Unlogik in der Argumentation und der Denkweise. Als Beispiele seien genannt: man schreit nach mehr Sicherheit, nach einer guten Ausbildung für alle, optimaler Pflege in den Spitälern und Heimen, verweigert jedoch zusätzliches Personal in all diesen Bereichen. Natürlich unterstützt die SP auch die genannten Ziele, sieht im Gegensatz zur SVP aber auch ein, dass dies alles ohne zusätzliches Personal nicht zu realisieren ist. Und dann die Familienpolitik – lauthals wird verkündet, die Familie sei der Kern der Gesellschaft und müsse nach Kräften unterstützt und gepflegt werden. Doch wehe, wenn dann ganz konkret etwas beschlossen werden sollte und dies erst noch etwas kosten würde – dann ist man stur dagegen. Ich erinnere mich an die Abstimmung vom Frühling 2013 über die Familieninitiative und an die entsprechenden Voten auch von der SVP des Kantons Zug und deren Vertreterinnen und Vertreter.

„Wir stehen für unser Land ein“ und „halten uns an die Regeln und Gesetze es Rechtsstaates.“ So steht’s unter Punkt 9 und 10 im Leitbild der Neuen Heimat Schweiz. – Ja, was meinen Sie denn, auch wir Linke oder Andersdenkende stehen für unser Land ein, und halten uns an die Gesetze des Rechtsstaates. Ein anderer Aufruf einer politischen Kraft müsste als Anarchie verstanden werden. Solche Plattitüden und Binsenwahrheiten können wohl kaum das herausragende Programm einer neuen politischen Bewegung sein. Schliesslich wollen wir alle – Linke, die der Mitte und Rechte – die Zukunft mit gestalten.

In diesem Sinne richte ich einen Appel sowohl an die alte SVP und im Rahmen dieser Rede an Sie als mögliche Mitglieder der Neuen Heimat, doch etwas ehrlicher und logischer zu politisieren. So ist im Leitbild unter Punkt 2 formuliert, dass Sie sich gegen jegliche Diskriminierungsform, gegen Vorurteile und Ausgrenzung von Ausländerinnen und Ausländer sowie von Andersdenkenden wehren wollen. Das finde ich super und dafür setze ich mich auch ein. Leider erklärt Herr Trlin im Interview, dass ein Stimmrecht auf kommunaler Ebene für Ausländer – wie bereits erwähnt – nicht in Frage komme. Es gibt aber Menschen, welche seit Jahrzenten hier Steuern zahlen, sich fürs Gemeinde- und/oder Kantonswohl einsetzen und trotzdem sollen sie nichts zu sagen haben. Ist das nicht eine unnötige Ausgrenzung? Hier will ich eine kleine Klammer öffnen. Die Gemeinde Wald Appenzell Ausserrhoden mit einer Bevölkerung von knapp 1000 Personen kennt das Stimmrecht für Ausländerinnen und Ausländer seit 1999. Klammer geschlossen. Eine solche Blendung des Anderen mag vorübergehend erfolgreich sein, ob diese Rechnung auf Dauer aufgehen wird, daran zweifele ich doch sehr. Die gegenwärtige und zukünftige Gestaltung einer immer komplexer werdenden Gesellschaft kann nur mit einem Rezept basierend auf Ehrlichkeit, Überzeugungskraft, Achtung verschiedener Lebensgestaltungen sowie Kooperationen mit Andersdenkenden gelingen. Mit diesen kritischen Gedanken schliesse ich diese Begrüssungsrede.

Ich wünsche dem neuen Verein, dass er sich Klischees und vorgefertigten Ansichten lösen und so auch eine geistige neue Heimat erreichen kann.